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Paradies


Paradies  


Als Gott an diesem Morgen die Wolken beiseite schob, um aus seinem himmlischen Paradies
auf sein irdisches zu schauen, ward er nachdenklich, beinahe schon etwas verbittert.
Auf den ersten Blick sah alles gelungen aus. Blumen blühten, Bäume grünten.
Was voll von Wasser sein sollte, war es.
Herrlich, Meeresbewohner bevölkerten dieses Nass.
Der frische Wind stützte den Flug der Vögel.
Ungleich schwerer hatte es die restliche Tierwelt.
Menschen zum Wohle geschenkt, betrachteten diese, die Gabe, nur noch mit den Augen der Geldgier.
Und nun wurde Gott seiner Lieblinge der Menschen gewahr.
Wunderbar! Alle waren freundlich zueinander. Die kleinen Kinder schienen prächtig zu gedeihen.
Jugendliche waren von Schule und erstem Liebeskummer umhüllt.
Irgendwie beschlich Gott der Argwohn. Er beugte sich etwas mehr aus seinem Wolkenfenster.
Missgunst und Hass gingen Hand in Hand durch alle Länder der Erde.
  Religionen bekämpfen sich in seinem Namen,
  Andersfarbige wurden geschunden in seinem Namen,
  Kinder missbraucht in seinem Namen,
  Frauen der Unzucht bezichtigt in seinem Namen,
  Alte und Kranke verwahrt in seinem Namen.

In seinem Namen -  drang es von allen Seiten auf ihn ein.
Er guckte noch einmal ganz genau hin, doch nein,
so hatte er sich die Sache mit der Erde nicht vorgestellt, nicht um seines Namens Willen.

Durch die Jahrtausende hindurch war es ähnlich, alle haben die Liebe vergessen.
Da schob er das Wolkenfenster zu und versank in Schweigen.
Die Engel vermochten ihn nicht zu trösten und Gott fiel in Tiefschlaf.
Nun tat sich die Wolkendecke auf und die Engel weinten, weinten das ganze Paradies leer
und überfluteten die Erde.
Als alle Menschenkinder bemerkten, dass sie in Engelstränen ertrinken sollten
schrien sie zum Himmel, aber Gott schlief und schlief.
Aus der Ferne hörte er wen rufen – Ich liebe dich! – Träumte er?
In einer Ecke saßen farblos mit ermatteten Flügeln seine Engel.
Selbst schauend, sah er nun die tränendurchtränkte Erde.
Erneut hörte er rufen von der Liebe. Er blickte hinunter und sagte – Ja –.
Nun stärkt euch, ihr Engel, und eilt in die Herzen meiner Menschen.
Lasst die Tränen abfließen als neuen Kraftquell.
Denn erst, wenn sie sich lieben, werden sie einander in ihrer Verschiedenheit verstehen.
Sie werden wissen, die Erde ist schon das Paradies!